Michel Friedman als neuer Herausgeber: Die Zeitschrift „Aufbau“ erfindet sich neu

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Die deutsch-jüdische Zeitschrift „Aufbau“, einst eine zentrale Stimme des Exils in den USA, steht vor einer neuen Ära. Mit einem umfassenden Relaunch und unter der Leitung des Publizisten Michel Friedman soll das traditionsreiche Magazin modernisiert und inhalt20lich erweitert werden. Ziel ist es, die Zeitschrift als intellektuellen Leuchtturm zu etablieren, der sich aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen widmet und dabei die Werte von Freiheit, Gleichheit und Wahrheit verteidigt.

Von New York nach Zürich – Die wechselvolle Geschichte des „Aufbau“

Der „Aufbau“ wurde 1934 in New York von jüdischen Exilanten gegründet. In einer Zeit, in der jüdische Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland ihre kulturelle Heimat verloren hatten, diente das Magazin als Nachrichtenquelle und Anlaufstelle. Es wurde schnell zum wichtigsten Medium der deutschsprachigen jüdischen Gemeinschaft in den USA. In seinen besten Zeiten zählten bedeutende Intellektuelle wie Hannah Arendt, Albert Einstein, Stefan Zweig, Thomas Mann und Lion Feuchtwanger zu seinen Autoren.

Besondere historische Bedeutung erlangte der „Aufbau“, weil er zu den ersten Publikationen gehörte, die über den Holocaust berichteten. Nach dem Zweiten Weltkrieg half die Zeitschrift Überlebenden bei der Suche nach Angehörigen und widmete sich zunehmend dem Dialog und der Versöhnung. Doch mit der Zeit nahm die Zahl der deutschsprachigen Leser in den USA ab, was den Fortbestand des Magazins gefährdete.

2004 stand der „Aufbau“ vor dem wirtschaftlichen Aus, wurde aber noch im selben Jahr von der schweizerischen JM Jüdische Medien AG übernommen. Seit 2005 erscheint das Magazin als Monatszeitschrift aus Zürich, wo es weiterhin eine Brücke zwischen jüdischer Kultur, Geschichte und Gegenwart schlägt.

Zeitschrift Aufbau Cover

Zeitschrift Aufbau Cover

Neuer Herausgeber, neues Konzept: Michel Friedmans Vision für den „Aufbau“

Zum 90. Jubiläum erfährt der „Aufbau“ nun eine grundlegende Neugestaltung – sowohl optisch als auch inhaltlich. Der neue Herausgeber, Michel Friedman, sieht in dem Magazin mehr als nur eine Zeitschrift. Er beschreibt es als „ein Exil, einen Raum für Pluralität und eine Stimme für Menschenrechte und Demokratie“. Besonders in einer Zeit, in der offene Gesellschaften unter Druck geraten, möchte der „Aufbau“ ein Forum für kritischen Diskurs bieten.

Die Jubiläumsausgabe, die am 24. Januar 2025 erscheint, setzt dabei gleich ein starkes Zeichen. Das Cover ziert die Gemäldeserie „Birkenau“ von Gerhard Richter, die der Künstler speziell für die Zeitschrift kuratiert hat. Unter den Autoren der neuen Ausgabe finden sich renommierte Schriftsteller und Intellektuelle wie Sibylle Berg, Robert Menasse, Ari Folman, Anetta Kahane und Raphael Gross.

Der neue „Aufbau“ orientiert sich an etablierten Formaten wie „Lettre International“ und „The New Yorker“. Längere Texte sollen tiefgehende Analysen und pluralistisches Denken fördern, während Kunst und Fotografie eine zentrale Rolle spielen. Die Zeitschrift setzt dabei bewusst auf Ruhe und Qualität in einer zunehmend schnelllebigen Medienlandschaft.

Expansion ins Digitale und eine neue Zielgruppe

Ein zentrales Anliegen der Neuausrichtung ist es, jüngere Leser zu erreichen. Friedman betont, dass es in einer Zeit von Social Media und Oberflächlichkeit dennoch eine große Nachfrage nach qualitativ hochwertigem Journalismus gibt. Um das zu ermöglichen, setzt der „Aufbau“ auf digitale Formate:

  • Täglicher Online-Auftritt mit politischen Karikaturen
  • Podcast-Programm, u. a. das Format „Echo in die Zukunft“
  • Interaktive Partizipation der Leser

Zudem soll der „Aufbau“ in den kommenden Jahren verstärkt auch auf Englisch erscheinen, um ein internationales Publikum anzusprechen.

„Ein intellektueller Leuchtturm“ – Der „Aufbau“ als Kompass für die Zukunft

Für Chefredakteur Yves Kugelmann bleibt der „Aufbau“ seiner Tradition treu, während er sich zugleich weiterentwickelt. Das Magazin sei „ein Raum für Diskurs, der gesellschaftliche Themen beleuchtet und die kulturellen Identitäten der jüdischen Gemeinschaft publizistisch spiegelt.“

Mit einem neuen Team, einem erweiterten Konzept und einer klaren Vision für die Zukunft will Michel Friedman das Magazin in die nächste Dekade führen. Er ist überzeugt: „Ja, Denken ist anstrengend. Aber wenn man es übt, ist es etwas Großartiges!“

Die neue Ausgabe des „Aufbau“ erscheint am 24. Januar 2025 und setzt ein starkes Zeichen für kritischen, reflektierten Journalismus in einer zunehmend polarisierten Welt.

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